Ein Stopp-Zeichen gegen Hass-Kommunikation
Dass in Deutschland Menschen hinter verrammelten Türen ihrer Religion nachgehen müssen, ist für sich genommen schon unerträglich. Dass ausgerechnet am Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnungsfest, in Halle eine Synagoge von einem Rechtsextremisten angegriffen wurde und anschließend zwei andere Menschen ermordet wurden, ist an Infamie kaum zu übertreffen. Nach allem, was bis jetzt über den Täter bekannt ist, ist er ein sozial isolierter Einzelgänger, der vor allem in rechtsextremen Internetforen unterwegs gewesen ist und dort für seine Tat mindestens die notwendige Motivation gefunden haben wird.
Das war am Mittwoch. Einen Tag später, am Donnerstag, trat in Hameln Landrat Tjark Bartels von seinem Amt zurück. Als Begründung verwies er auf einen schweres Burn-out nach dem Missbrauchsskandal in Lügde und Fehlern des Landkreises in diesem Zusammenhang. Seine „Grenzen deutlich überschritten“ hätten aber vor allem die Hass-Mails, die er deswegen erhalten habe. Dazu muss man wissen, dass der Vorgänger als Landrat, Rüdiger Butte, im Jahr 2013 in seinem Dienstzimmer erschossen worden ist.
Zwei Vorgänge, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, aber zumindest eine Parallele aufweisen: Eine Kommunikation im Internet, die keine Hemmschwellen mehr kennt. Es handelt sich beileibe nicht um die einzigen Beispiele, jeden Tag gibt es massenweise neues Material und das nicht erst seit gestern. Aber es wird immer klarer, dass damit konkrete Folgen verbunden sind: es kann eine Voraussetzung für schwere Straftaten sein oder ein nicht mehr auszuhaltender Druck auf politisch aktive Menschen.
Leider gibt es kein Patentrezept, mit dem es möglich wäre, Hass-Kommunikation konsequent zu unterbinden. Was den Staat und die Sicherheitsbehörden angeht, wird aber deutlich mehr Konsequenz notwendig sein. Boris Pistorius, der niedersächsische Innenminister, hat einige Beispiele genannt: Keine Anonymität auf online-Plattformen mehr zulassen, hohe Bußgelder auch für Betreiber von Plattformen und ein angemessenes Verständnis von Beleidigungen, das eine Wiederholung von Gerichtsurteilen wie im Fall von Renate Künast unmöglich macht. Auch solche Maßnahmen können keine Garantie für die Zukunft geben, aber sehr wohl zeigen, dass unser Staat auf die Bedrohung aus dem Netz klar und hart reagiert.
Mir ist klar, dass ein solches Vorgehen bei Menschen auf Bedenken stoßen wird, die sich um die freie Meinungsäußerung und andere Bürgerrechte sorgen. Uns muss aber bewusst sein, was ohne ein spürbares Stopp-Signal des Staates gegenüber einer menschenverachtenden Kommunikation auf dem Spiel steht – nämlich eine immer weitergehende Verrohung der Diskussion und damit eine Bedrohung der Demokratie insgesamt. Unsere politische Ordnung muss die Freiheitsrechte schützen, sie muss sich aber auch selbst schützen.
Ich wünsche Euch eine gute Woche.