Am Sonntag haben weltweit Menschen an die Befreiung des KZ Auschwitz vor 75 Jahren erinnert und an die Millionen Opfer des Holocaust. Ich bin zweimal in Auschwitz gewesen und was mir besonders in Erinnerung geblieben ist, sind große Glasscheiben, hinter denen riesige Mengen von Koffern, Schuhen, Brillen und anderen Hinterlassenschaften der Opfer aufgehäuft sind. Gefunden haben die russischen Soldaten sie in der „Effektenkammer“, wo sie für die weitere Verwertung von der SS aufbewahrt wurden.

Es braucht solche Bilder, um das unfassbare Ausmaß des Holocaust zumindest im Ansatz zu erahnen. Die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten war buchstäblich das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, das müssen wir uns immer wieder klar machen. Und leider führt kein Weg um die Tatsache herum: Dieses größte Verbrechen wird für immer Teil der deutschen Geschichte sein, es war ein deutsches Verbrechen.

Viele Menschen in Deutschland wünschen sich einen Schlussstrich und dass nicht immer wieder über den Holocaust geredet wird. Und es kostet in der Tat Überwindung, sich ein um das andere Mal mit den grausamen Einzelheiten zu beschäftigen, es ist immer wieder belastend – das kenne ich von mir selbst. Aber notwendig ist es, nicht nur um der Millionen Opfer willen, sondern um unserer selbst willen.

Antisemitismus, Rassismus und Hass sind nicht etwa verschwunden, sie sind lebendig. Das ist weltweit so und leider auch bei uns in Deutschland, wie viele Untersuchungen zeigen. Etwa ein Viertel der Bevölkerung hat antisemitisches Gedankengut, sagen Umfragen. Das ist eine erschreckend große Zahl, aber übrigens nicht erst seit kurzem, sondern seit langem. Immer öfter werden allerdings aus Gedanken Taten und der Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr ist uns allen noch in sehr frischer Erinnerung.

Unter diesen Umständen geht es nicht nur um Erinnerung, sondern um eine Warnung. Angriffe auf Juden oder andere Gruppen sind Angriffe auf die Demokratie, den Rechtsstaat und die Menschenrechte, also auf die Fundamente unserer Ordnung. Es geht eben nicht nur um Juden, Ausländer oder andere Gruppen, es geht am Ende um uns alle.

In Niedersachsen wird der Antisemitismus auf die entschiedene Abwehr des Staates stoßen, die „wehrhafte Demokratie“ ist mehr als nur ein Schlagwort. Nötig ist eine aktive Zivilgesellschaft, die den Einsatz gegen den Rechtsextremismus zu ihrer eigenen Sache macht. Dazu können alle auf die eine oder andere Weise ihren Beitrag leisten und sollten das bitte tun.

Der Holocaust war nicht nur das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, er war der Tiefpunkt der deutschen Geschichte. Wenn wir aus der unserer eigenen Geschichte nur eine einzige Lehre ziehen, kann sie nur heißen: Nie wieder!

Ich wünsche Euch eine gute Woche.