Mein Leben in der Schalte
Am Freitag war ich zu Gast in der Mitgliederversammlung des SPD-Ortsvereins Isenbüttel. Das ist eine Gemeinde im Landkreis Gifhorn und normalerweise wäre ich dort wohl kaum dabei gewesen, aber es war auch keine normale Ortsvereinsversammlung, sondern eine Video-Konferenz und für mich eine interessante Erfahrung, wie eigentlich unter den Bedingungen von Corona Parteiarbeit aussehen kann. Ziemlich gut, wie ich finde, und dieses Beispiel kann ich zur Nachahmung empfehlen. Und das war dann auch die letzte Schalte dieser Arbeitswoche.
„Schalte“ ist ein neues Schlüsselwort in meinem Leben. In der letzten Woche verzeichnet mein Kalender unter dem Strich siebzehn Video- und sieben Telefonkonferenzen, vom Ortsverein Isenbüttel bis zur Bund-Länder-Konferenz mit der Bundeskanzlerin. Wo ich bis vor einigen Wochen Versammlungen und Gespräche im Kalender stehen hatte, sind es jetzt diese Formate, die wie die Pilze aus dem Boden schießen.
Die Erfahrungen sind durchaus zweischneidig. Einerseits kommt man schneller in unterschiedlichen Runden zusammen und dann auch noch ohne mühsame Anreise. Und wenn ich an Parteien denke, werden Menschen mitmachen können, die zu einer Versammlung aus unterschiedlichen Gründen bislang nicht kommen konnten oder nicht wollten. Andererseits ist es eben zwangsläufig eine distanzierte Form des Gesprächs, in der die Köpersprache oder das Getuschel mit dem Nachbarn ausfällt, ganz zu schweigen von einem gemeinsamen Glas Bier danach. Gemeinschaft lässt sich auf diese Weise eben nicht wirklich pflegen. Oder man stellt hinterher erstaunt fest, mit Menschen zusammen gewesen zu sein, von denen nichts bekannt war. Als am Mittwoch einzelne Medien über den Verlauf der letzten Kanzlerin-Runde gewissermaßen im Live-Ticker berichten konnten, war sehr klar, dass irgendwo auch noch jemand in einem Raum dabei gewesen sein muss, der dort überhaupt nichts verloren hatte. Und noch etwas habe ich an mir festgestellt: Nach mehreren Stunden dieser Konferenzen dröhnt der Kopf und es kommt mir anstrengender vor, als die bisherigen Zusammenkünfte.
Dennoch: Corona wird vieles auf Dauer verändern, auch die politische Kultur, da bin ich mir sicher. Für die digitale Kommunikation ist es ein Durchbruch – mit allen Vor- und Nachteilen. Wenn es gelingt, die Vorteile zu nutzen und die Nachteile auszugleichen, könnte es ein gelungener Modernisierungsschub für die Politik werden.
Ich freue mich jedenfalls darauf, wenn ich irgendwann einmal wieder mit meinen Gesprächspartnern in einem Raum persönlich zusammentreffen oder eine interessante Veranstaltung besuchen kann. Das ist wie mit den Live-Konzerten und den coronabedingten Hauskonzerten im Netz: Die Musik mag dieselbe sein, der Eindruck ist ein ganz anderer.
Ich wünsche Euch eine gute Woche.