Immer um den 3. Oktober herum fahre ich mit einer Wirtschaftsdelegation ins Ausland. Das hat sich schon bei meinen Vorgängern als erfolgreiche Form der Wirtschaftsförderung erwiesen. Erfahrungsgemäß kann ein solcher Besuch erstaunliche viele Türen auf fremden Märkten öffnen, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen aus Niedersachsen. Aber natürlich bereichern die politischen Gespräche und die vielen Eindrücke auch ansonsten die Teilnehmenden, mich selbst ausdrücklich eingeschlossen.

In diesem Jahr ging es nach Singapur und Indonesien. In Südostasien bin ich vorher noch nicht gewesen, deswegen war wirklich alles neu für mich und entsprechend lehrreich. Wenn auch in sehr unterschiedlicher Form, denn die ASEAN-Region mit über 600 Millionen Menschen in acht Ländern lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Schon unsere beiden Reiseziele waren völlig unterschiedlich.

Singapur gilt aus guten Gründen als die „Schweiz Asiens“. Obwohl für asiatische Verhältnisse mit weniger als sechs Millionen Menschen sehr klein, ist Singapur ein hochentwickeltes Land, das sich in vielerlei Hinsicht an der Weltspitze befindet. Nicht nur wirtschaftlich als Handels- und Finanzzentrum, sondern erstaunlicherweise als Beispiel für öffentlichen Wohnungsbau. Als Reaktion auf die unerträglichen Zustände in vielen Slums früher verfolgt man dort seit einem halben Jahrhundert mit großer Konsequenz eine Strategie, die zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt hat. Heute leben achtzig Prozent der Menschen in einer Wohnung des staatlichen Wohnungsunternehmens, davon neunzig Prozent auf Basis eines eigentumsähnlichen Nutzungsrechts für neunundneunzig Jahren. Leider kann ich nicht auf Details eingehen, aber eines ist mir aufgefallen: Ebenso wie in Wien, wo die vielleicht beste Wohnungspolitik in Europa betrieben wird, steht und fällt ein solches Vorgehen damit, dass man es über Jahrzehnte durchhält und nicht – wie in Deutschland – eine „stop an go“-Politik betreibt.

Indonesien ist dagegen ein riesiges Land mit mehr als 260 Millionen Menschen. Das Land besteht aus tausenden Inseln, davon über 6.000 von Menschen bewohnt. Unter solchen Bedingungen eine demokratische Wahl durchzuführen, ist eine echte Herausforderung, aber gerade erst im April wieder gelungen. Und wer von dem westlichsten zum östlichsten Punkt Indonesiens fliegen will, ist mehr als sieben Stunden unterwegs. Doch nicht genug der Superlative: Indonesien ist die größte muslimisch geprägte Gesellschaft der Welt und die Frage, ob islamistische Kräfte anstelle des bisher dominierenden „gemäßigten“ Islam an Boden gewinnen, könnte für die Zukunft des Landes entscheidend sein.

Riesige Herausforderungen stellen sich auch beim Umweltschutz: Nur etwas mehr als sechzig Prozent der Menschen in der Millionenstadt Jakarta sind an ein öffentliches Wassernetz angebunden und verfügen über sauberes Trinkwasser. Deswegen gibt es unzählige Privatbrunnen, die aber den Grundwasserspiegel senken, sodass große Teile dieser Metropole Jahr für Jahr immer mehr absinken. Gleichzeitig ist Jakarta eine Küstenstadt und ein steigender Meeresspiegel ist für die Stadt ein enormes Risiko.

Alles das war genug Stoff für hochinteressante Gespräche während unserer Reise. Und das gehört dazu: In der ASEAN-Region fürchtet man, in dem Konflikt zwischen den USA und China um die Führungsrolle auf dem Globus die eigene Unabhängigkeit zu verlieren. Die Hoffnungen richten sich auf Europa, von dem die Regierungen eine Führungsrolle im Einsatz für eine multilaterale Welt erwarten. Das habe ich in früheren Jahren in anderen Teilen der Welt so ähnlich gehört. Und es wird dabei besonders auf Deutschland als dem größten Mitglied der EU geschaut. Wir sollten uns dieser Verantwortung bewusst sein.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.